Das erste Mal….

Wenn man als frisch gebackener Kellner das erste Mal auf Gäste trifft, kann das auf Menschen mit schwachem Charakter leicht verstörend wirken. Es kommt immer darauf an, wo das ist!

Ich hatte meine erste Stelle als Kellnerin in einem Tanzlokal in Kiel. Ich habe es 2 Jahre in diesem Job ausgehalten, dann hab ich gedacht, ich bin nun zu alt für so etwas. Diese Zeit hat mir meine restliche Schüchternheit und meine jugendliche Naivität komplett genommen. Ich habe Dinge gesehen, die man nicht unbedingt erleben muss! Es war eine harte Schule und dennoch eine gute Zeit.

In null Komma nichts habe ich gelernt, wie man ein Tablett durch eine tanzende Meute balanciert, natürlich oberhalb der Köpfe.

Anfangs war ich noch etwas zurückhaltender, doch das ging ganz schnell wieder vorbei.

Da wir auf Umsatz arbeiteten, war man natürlich sehr motiviert, Flaschen zu verkaufen, denn 450 Gäste gingen in das Lokal hinein, und wenn die alle durstig sind, hat man mit drei Kellnern und drei Barleuten eine Menge zu tun!  Das hat aber auch dazu beigetragen, dass manche Kollegen sich immer wieder in deiner Station herumtreiben, um dort zu verkaufen. Das sind dann unfaire, geldgeile Idioten. Seit dieser Zeit bin ich, was das angeht, auch wirklich gebrandmarkt.

Ab und zu hat sich natürlich das ein oder andere Getränk mal auf einen Gast ergossen. Das war schon manchmal witzig und innerlich hat man sich dann halb totgelacht. Äußerlich musste man sich natürlich zusammenreißen, was mir auch bis auf einmal immer ziemlich gut gelang. Das besagte Mal, an dem ich mich nicht beherrschen konnte, hatte ich nur ein Bier auf dem Tablett und wurde von einem Tanzpaar angerempelt. Das Glas kippte auf meinem Tablett um und der Inhalt floss auf einen jungen Mann. Er war von Kopf bis Fuß mit Bier besudelt. Da er wirklich wie ein begossener Pudel aussah, fing ich lauthals an zu lachen und konnte mich kaum mehr einkriegen. Danach besorgte ich sofort ein paar Papiertücher und versuchte, den Schaden zu begrenzen, und natürlich hab ich mich auch entschuldigt. Er war zum Glück nicht sauer, denn er hatte auch mitbekommen, dass ich angestoßen wurde.

Eine Frau hat mir mal ins Gesicht gespuckt und wollte auf mich losgehen, weil ich sie bat, ihre Zigarette nicht auf unseren Tischen auszudrücken, sondern den Aschenbecher, unmittelbar daneben, zu benutzen. Damals war ich so sauer, dass ich Ihr am liebsten eine gescheuert hätte. Ich habe mich dann damit begnügt, sie von einem Türsteher entfernen zu lassen.

Sex auf der Tanzfläche, in irgendwelchen Sofaecken und natürlich auf Toilette war leider auch keine Seltenheit dort.

Viele Gäste konnten auch Ihre Hände nicht bei sich behalten und fingen an, mich zu begrapschen. Da hab ich dann auch ausgeteilt wie eine Große. Einen Gast habe ich, nachdem ich ihm eine runtergehauen habe, am Schlafittchen zu unserem Türsteher geschleift und ihn gebeten, diesen Gast rauszuschmeißen. Danach hat mir kein Türsteher mehr geholfen, weil ich es selber ja besser könne! Das ganze Lokal hat die Szene mitbekommen, da ich in der Drehung ein Tablett mit leeren Gläsern fallen ließ und das genau zwischen zwei Songs. Die Frauen haben einheitlich gegrölt und geklatscht! Viele sind danach noch zu mir gekommen, um mir zu sagen, wie toll das war. Nur die Frau desjenigen, der mich begrapschte, hat einen Aufstand geprobt.

In solchen Läden gibt es ja bekanntlich ziemlich viele Betrunkene. Dazu kam, dass wir ein besonders hohes Aufkommen an verschiedenen Nationalitäten hatten. Da ging es immer besonders extrem zur Sache. Tanzen auf der Tanzfläche war dort auch nicht angesagt, zum Tisch ist doch der Weg viel kürzer.  Also wurde direkt auf dem Tisch getanzt. Dabei wurde natürlich alle fünf Minuten das Bier umgestoßen. Da das immer meine Station war, die dort belagert wurde, hatte ich alle Hände voll zu tun, mir Respekt zu verschaffen. Anfangs hatte ich immer den Türstehern zugesehen, doch ziemlich schnell habe ich gelernt, wie man beispielsweise einen schlafenden Betrunkenen in Nullkommanichts wach bekommt.  Das geht folgendermaßen: Bierdeckel anzünden, die Flamme auspusten und die Glut, der Schnapsleiche unter die Nase halten. Im Schlaf atmet man besonders tief ein. Unter Garantie bekommt man damit jeden Besoffenen wach.

Dann wechselte irgendwann der Betreiber und ich wurde übernommen. Der neue Betreiber, hatte irgendwie auch noch Dreck am Stecken. Er schlug sich zu Beispiel auch mal mit den Gästen. Bei der Abrechnung hat er ständig versucht, mich zu bescheißen. Irgendwann fing er an, Schülerpartys zu veranstalten. Die kleinen Jungs fingen dann auch noch an, mich zu betatschen. Ich habe damals meinem Chef gesagt, dass wenn mich noch einmal einer anfasst, ich dann zurückfasse und das wird nicht schön. Er meinte nur ich solle es locker nehmen und sagen: „Du, Du, Du, ich könnte Deine Tante sein.“ Da hat es mir dann endgültig gereicht und ich entschloss, dass es Zeit wurde zu gehen. Schade war es wirklich um das Geld, denn das war gut, aber verkaufen wollte ich mich auch nicht.

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!

13 Comments

  • Lars 1. September 2011 at 09:49

    Schöner Schreibstil, spanned zu lesen!

    Aber Sex auf der Tanzfläche, wo gibts denn sowas?! War ein Salsa-Schuppen nehme ich an?

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  • fleischfee 1. September 2011 at 10:19

    Hallo Lars,
    ich danke Dir für den Kommentar. Es ist schön zu wissen, dass es jemandem gefällt, was ich so von mir gebe! 😉

    Leider war das kein Salsa-Schuppen. Es gab eher Discofox zu deutschem und englischem Schlager. Andrea Berg und Wolle Petri lief hier rauf und runter. Das Publikum war bunt gemischt, doch eher im höheren Alterssegment anzusiedeln.

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  • Wortman 26. März 2012 at 08:59

    Klingt nach einem Lokal aus der damaligen „Bergstraße“. Weiß nicht, ob es das heute noch alles gibt.

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    • fleischfee 26. März 2012 at 14:27

      Haha, ja stimmt! Ist aber nicht so. Es ist eher Richtung Ostufer gelegen gewesen! 😉 Und ja, die Bergstr. „Berger“ steht noch!

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      • Wortman 27. März 2012 at 09:58

        Die gibt es tatsächlich noch… hätte ich nicht gedacht. Da war u.a. 1983 meine Stammdisko, als ich ein halbes Jahr in Kiel war.

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        • fleischfee 27. März 2012 at 22:31

          Hihi, ja da war ich gerade vier Jahre alt! Die Schuppen in der Bergstr. öffnen und schließen am laufenden Band aber irgendwas ist immer da. Ich glaub als ich ganz klein war, gab’s dort einen Laden der Flohmarkt oder so ähnlich hieß, meintest Du den? Warst Du da beim Bund?

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      • Wortman 28. März 2012 at 10:30

        *lach* vier Jahre – wie niedlich 😉
        Ja, ich war damals dort bei der Marine. Ich glaube das war tatsächlich „Flohmarkt“.

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        • fleischfee 28. März 2012 at 22:25

          Ja, das glaub ich auch! Die Mom meines ersten Freundes hat mir viel davon erzählt. Die hat da früher viel rumgehangen! 😀
          Das gab’s zu meiner Zeit nicht. Da gab’s nur Tucholsky, Böll, Voltaire, Hinterhof und Satre.

          LG

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      • Wortman 29. März 2012 at 21:06

        Wer weiß, vielleicht habe ich sie da auch mal gesehen 😉

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      • Wortman 30. März 2012 at 09:59

        *grinz*

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  • winnieswelt 14. April 2012 at 13:18

    EHRLICH?
    Auf diese Art der Gastronimie kann ich gerne verzichten!

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    • fleischfee 14. April 2012 at 14:02

      Ja, ich jetzt auch aber damals war es ein gutes Zubrot! 10% Umsatzbeteiligung kann unter Umständen richtig viel sein + Tip! Ich bin jedenfalls an dieser Erfahrung gewachsen.

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